Mit nachfolgendem Beitrag möchte ich Ihnen Mut machen: Stellen Sie sich den Herausforderungen, die sich immer wieder aus Veränderungen im Leben ergeben. Teilen möchte ich meine Erkenntnisse aus persönlichen und viele Jahre hauptberuflich betreuten und initiierten Veränderungs- und Entwicklungsprozessen.
Stecken Sie den Kopf nicht in den Sand, sondern nehmen Sie das Heft des Handelns in Ihre Hände getreu der häufig Aristoteles zugeschriebenen Weisheit „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“
Abschied von Vertrautem
„Abschied [von Vertrautem] gehört zum Leben“ murmelte der junge Fuchs, der Nachkomme des gezähmten Fuchses aus „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry und damit antwortete auch Christian Streich, der Fußballtrainer vom SC Freiburg, am 27. Mai 2023 auf die Interviewfrage, ob es ihn verletzen würde, wenn Spieler, die er lange begleitet habe, den Club verlassen (in 11 Freunde # 139).
Wieder einmal Abschied nahm ich z.B. in einem Alter von 58 Jahren: Nach fast 30 Jahren beruflicher Tätigkeit in einem Ministerium und 35 Jahren Leben in einer Großstadt, von all den damit verbundenen beruflichen und sozialen Kontakten. Kaum wissend, was mich im Westfalenland in einem neu gegründeten Landesamt beruflich erwartete, aber: Endlich auch räumlich mit meiner großen Liebe zusammenkommen.
Dies ist die Antwort auf die Frage, „Wozu“ ich aufgebrochen bin (also die Zielfrage oder die Frage nach dem Motiv) und keine Antwort auf das rückwärtsgewandte „Warum?“. Die Antwort darauf hat mit vorhergehenden Entwicklungen und dem Annehmen nicht von mir gewollter Veränderungen zu tun.
Mit dem Vorstehenden habe ich unter anderem eine erste Differenzierung von Veränderungen angesprochen, der „ungewollten“, fremdbestimmten Veränderung und der „gewollten“, der selbstbestimmten Veränderung.
Veränderungen bestimmen unser Leben
Fremdbestimmten Veränderungen können u.a. betriebliche, technische (z.B. das Sesshaft werden der „Jäger und Sammler“, die Erfindung der Dampfmaschine oder die Entwicklung „Künstlicher Intelligenz“), politische oder gesellschaftliche Entwicklungen zugrunde liegen. Als Beispiel möchte ich hier nur die verstärkte Nachfrage nach veganen Lebensmitteln nennen, was z.B. bei der Käseproduktion verstärkt zum Ersatz tierischen Labs durch mikrobielles Lab führt, was wiederum manche Menschen nicht vertragen können.
Wir Menschen müssen uns ständig anpassen und verändern. Veränderungen sind ganz normale und wichtige Prozesse, die uns dabei helfen, in der Gesellschaft zurechtzukommen und uns persönlich weiterzuentwickeln. Dies ist auch schon evolutionär/archaisch in uns Menschen festgelegt; anders hätte die Menschheit bis heute nicht überleben können.
„Die einzige Konstante im Universum ist die Veränderung.“ hat schon der griechische Philosoph Heraklit vor mehr als 2.500 Jahren gesagt. Daran hat sich bis heute nichts geändert – und doch fallen uns Anpassungen oft schwer.
Veränderungen bringen Destabilisation mit sich, laufen unserem Bedürfnis nach Sicherheit und Verlässlichkeit zuwider; die Angst vor dem Unbekannten und eine mögliche, fehlende Weitsicht erschweren notwendige Veränderungsprozesse. Dies scheint besonders auf uns Deutsche zuzutreffen, deren Veränderungswille eher schwach ausgeprägt ist, sobald es um abstraktere wirtschaftliche, technologische oder soziale Entwicklungen geht (so das Ergebnis einer 2018 vorgelegten Studie).
Für jede Einzelne und jeden Einzelnen stellt sich die Frage, wie sie oder er auf diese nicht selbstbestimmten Veränderungen reagiert?
„Love it, change it or leave it”!
Wahrscheinlich kennen Sie dieses Henry Ford zugeschriebene Zitat? Auch wenn es sehr banal klingt: Im Leben bleiben nur diese drei Handlungsoptionen in uns störenden Situationen! Und störende Situationen sind all diejenigen, bei denen eine Inkongruenz besteht zwischen dem, was wir möchten und dem was (in realiter) ist!
In seiner 1998 erschienenen und 26 Millionen mal verkauften, als Business bestseller bezeichneten Parabel „Die Mäusestrategie für Manager“ hat der Amerikaner Spencer Johnson vier Reaktionsmuster beschrieben, wie Menschen mit unerwarteten Veränderungen umgehen. Eine Quintessenz daraus: Wer es lernt, mit (beruflichen und privaten) Veränderungen umzugehen, wird daraus enormen Nutzen ziehen können. Interessant sind vor allem auch die emotionalen Reaktionen auf die eingetretenen Veränderungen.
Emotionale Phasen der Veränderung
Retroperspektivisch betrachtet folgen menschliche Emotionen und menschliches Verhalten in Veränderungssituationen einem zyklischen Verlauf, anschaulich zum Beispiel dargestellt in dem von der willers workgroup verwendeten Modell „Emotionale Phasen der Veränderung“,
oder in der Dissertationsschrift von Prof. Heimbrock aus dem Jahr 2000
Auf diese Darstellungen bzw. in Veränderungsprozessen eintretende Emotionen werde ich nachfolgend eingehen.
Auch ich wollte eingetretene Veränderungen nicht wahrhaben, selbst dann noch, als mich Freunde und Freundinnen vertrauensvoll „beiseite nahmen“. Es gibt ja immer „gute Gründe“, um in der Komfortzone (lieber das bekannte Unglück als das unbekannte Glück) zu bleiben oder – wie Grübel und Knobel in der o.a. Mäusestrategie – über die ach so schreckliche Umwelt oder „die da oben“ zu schimpfen, zu klagen, zu jammern…
Auch wenn es Menschen gelegentlich gut tut, zu jammern und zu klagen, sie über Unzufriedenheit, Enttäuschungen und Sorgen sprechen können, sie von anderen Aufmerksamkeit, Zuwendung und vielleicht auch Trost bekommen: „Nützt ja nix!“ (im nordfriesischen Sinne). Durch Klagen und Jammern begeben wir uns in eine Opferrolle, verschwenden dafür Energie, anstatt diese für die aktive Suche nach Lösungswegen zu verwenden. Wir verharren in dem Zustand, in dem uns Dinge stören, belasten, schmerzen und ärgern… und verpassen dabei nicht selten den rechtzeitigen Zeitpunkt zum Wandel …
Dies ist insbesondere für Organisationen fatal, wenn sie sich wie Cäsar in den Asterix und Obelix-Heften zu lange auf ihren Lorbeeren ausruhen und Impulse z.B. des Marktes oder technologische Entwicklungen, die einen teilweise radikalen Strategiewechsel erfordern, nicht frühzeitig wahrnehmen. Um noch einmal die o.a. Mäusestrategie zu zitieren: „Rieche öfter am Käse, damit du bemerkst, wenn er alt wird.“
Natürlicherweise sind mit Veränderungen auch Ängste verbunden, die wahrgenommen und berücksichtigt werden müssen, aber mit einer aktiven Auseinandersetzung überwunden werden können, z.B. einer Risikoanalyse.
In meiner beruflichen Tätigkeit habe ich immer mal wieder Reaktionen erlebt wie „Das kann nicht sein, das haben wir schon immer so gemacht“. In solchen Reaktionen manifestiert sich die Angst, gewohnte Strukturen und Handlungsweisen eventuell sogar Teile vertrauter Arbeitskulturen zu verlieren. Der Antwort eines Kollegen auf die genannte Aussage ist mir allerdings genauso präsent: „Etwas wird nicht dadurch richtiger, dass wir es schon immer so gemacht haben!“.
Manche fragen auch „Warum gerade ich, warum gerade wir?“. Weil man dann die Richtung beeinflussen kann und Ergebnisse nicht „übergestülpt bekommt“! Nur durch eigenes Handeln und dem Willen zur Veränderung können wir etwas zum Besseren bewirken. Motor meines (persönlichen) Handelns war seit der Qualifizierung zum Organisationsentwickler ein Simone Weil zugeschriebenes Zitat: „Wenn du die Welt verändern willst, beginne mit dem Menschen, den du jeden Morgen im Spiegel siehst.“ Dies gab mir in meiner gesamten beruflichen Laufbahn immer wieder Kraft und Orientierung.
In einem Modellprojekt, das ich leitete und mit dem wir an einem Qualitätswettbewerb im deutschsprachigen Raum teilnahmen, wählten wir als Projektgruppe als Leitidee die Aussage vom Bundespräsidenten Gustav Heinemann „Wer nichts ändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte.“ Die Projektmitglieder hatten frühzeitig erkannt, dass ein Wandel unvermeidbar war, einer verband dies aber auch mit der Absicht „Ich möchte das Schlimmste verhindern…“. Gleichwohl hatte ich diesen Kollegen bewusst in die Projektgruppe aufgenommen.
Für mich selbst war die erstmalige Leitung eines Projekts eine neue Erfahrung, eine große Herausforderung. Auch ich musste mal wieder meine Komfortzone verlassen, folgte letztlich aber mal wieder meiner Intention „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“ (zu der Zeit fälschlicherweise Mahatma Gandhi zugeschrieben).
Aus der Theorie wusste ich, wie wichtig es für Projektarbeit ist, gemeinsame Ziele zu haben und das Vorgehen trotz der Aufteilung in Arbeitspakete und parallelen Vorgehens gemeinsam zu planen. Für die Start-up-Klausur holte ich mir deshalb professionelle Unterstützung. Wie sich herausstellte, eine wesentliche Gelingensbedingung für dieses Projekt! Wir machten (innerhalb des Auftrags) das selbst definierte übergeordnete Ziel in Diskussionen handhabbar, operationalisierten es. Im Projekt probierten wir neue Ansätze aus, banden Kolleginnen und Kollegen, die nicht der Projektgruppe angehörten, immer wieder ein, machten weitere neugierig, um damit die Basis für die Überführung in die Praxis zu schaffen.
Schließen möchte ich diesen Beitrag mit einem Zitat aus „Il Gattopardo“ des italienischen Schriftstellers und Adeligen Giuseppe Tomasi di Lampedusa (1896-1957): „Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, dann ist es nötig, dass alles sich verändert.“
Alfred Preuß, Berater, Coach und Moderator für Aufbau- und Entwicklungsprozesse, viele Jahre tätig im Niedersächsischen Kultusministerium Hannover, zuletzt in der Qualitäts- und UnterstützungsAgentur – Landesinstitut für Schule (QUA-LiS) in Soest
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