In diesem Blogbeitrag widme ich mich verschiedenen Persönlichkeitstypen, die mir in meinem Berufsleben immer mal wieder begegneten und deren spezifischen Ängste zwischenmenschliches Verhalten samt Einstellung zu Veränderungsnotwendigkeiten beeinflussen. Mit dem Ende des Beitrags leite ich über zu Motiven, die unser Handeln leiten.
Die Ausführungen schließen an meinem letzten Beitrag zum Thema „Veränderungen im Leben – Loslassen von Vertrautem“ an, in dem ich „Ängste“ und „Mut“ als die zwei Seiten einer Medaille allgemeiner und zugleich ausführlicher beschrieb.
Geschrieben habe ich darin unter anderem „Mut beginnt da, wo die Bequemlichkeit aufhört.“ Damit habe ich mutiges Handeln abgegrenzt vom Überwinden des sog. „Inneren Schweinehund“. Dieser hindert uns Unbequemlichkeiten in Kauf zu nehmen und wird von Motiven gespeist wie „Keine Zeit“, „Keine Lust“ sowie „Widerspricht der Gewohnheit“.
Dargestellt habe ich, dass Angst eine normale menschliche Reaktion ist, sofern keine psychische Angststörung vorliegt. Angst ergreift uns in Situationen, in denen wir das Gefühl haben, dass wir diesen nicht oder noch nicht gewachsen sind, wir also alte, vertraute Bahnen verlassen, neue Aufgaben bewältigen oder Anpassungen an veränderte Gegebenheiten überfällig sind.
Menschliche Grundausrichtungen und deren Auswirkung auf Veränderungen
Ängste können in vielen verschiedenen Facetten auftreten. Sie werden geleitet von vier menschlichen Grundausrichtungen, dem Bedürfnis nach Nähe oder Distanz, nach Dauerhaftigkeit oder Abwechslung. Je nach Ausprägung der Grundausrichtungen beeinflussen entsprechende Bedürfnisse (Motivationen), Werte und “Lebensphilosophien” die Art und Weise des Umgangs mit anstehenden Veränderungen. Beispielhaft möchte ich auf zwei Grundausrichtungen eingehen, weil ich diesen auch in meiner beruflichen Laufbahn immer wieder begegnete:
Die weitaus längste Zeit war ich tätig in Organisationen und Projekten, in denen sowohl VerwaltungsbeamInnen als auch Lehrkräfte unterschiedlicher Schulformen arbeiteten und mitwirkten. Nicht selten stießen dort Grundcharaktere aufeinander, die auch den unterschiedlichen Sozialisationen geschuldet waren/sind.
Menschen, die vor allem die Ordnung lieben
denken zuvörderst an Pflichten und Notwendigkeiten und gehen seltener neue Wege. Ich begegnete ihnen beruflich eher unter konservativ ausgerichteten VerwaltungsbeamtInnen, die sich
- der Rechtsstaatlichkeit und -sicherheit verpflichtet fühlen und mit Methoden rationaler Konsensbildung (z.B. Auslegungsregeln) sowie Schlüsselbegriffen wie Verhältnismäßigkeit/Übermaßverbot etc. ihren Aufgaben nachgehen, aber
- häufig nur dann sicher fühlen, wenn alles so bleibt wie es ist oder sein sollte und Ängste haben vor Neuem, vor dem Unbekannten, vor Unüberschaubarkeit, Unberechenbarkeit, Durcheinander und vor der Wandlung des Bestehenden. Diesen Grundtypus findet man allerdings auch zum Beispiel bei betriebswirtschaftlichen ControllerInnen, RechnungsprüferInnen etc., die im Prinzip eher rückgewandt als vorwärtsschauend arbeiten, und wenn Chaos droht bei sehr vielen Menschen, wenn nicht sogar den meisten; wohl deshalb wird dieses gerne auch in politischen Auseinandersetzungen heraufbeschworen.
Menschen, die vor allem die Freiheit lieben
sind offen für Neues und weniger begeistert von Regelungen und Verbindlichkeiten. Diesen Persönlichkeitstypen begegnete ich beruflich häufiger unter Lehrkräften, die nach Darstellenden Künstlern und Journalisten bei der Persönlichkeitsfacette „Offenheit für neue Erfahrungen“ (eine der fünf Facetten im sozio-ökonomischen Panel, einer repräsentativen Wiederholungsbefragung, die bereits seit mehr als 35 Jahren läuft) deutlich aus dem Bevölkerungsschnitt herausragen. „Und so finden sich unter den Berufen mit großer Offenheit vor allem Professionen, für die ausgeprägte intellektuelle Fähigkeiten, eine große Kreativität und höhere Bildungsabschlüsse nötig sind.“ (Quelle)
Schwierig in der Zusammenarbeit und im Verständnis füreinander wurde es, wenn mit den positiven Eigenschaften wie „experimentierfreudig, neugierig, künstlerisch interessiert“ (ebda.) das extreme Pendant „Zu freiheitssüchtig“ verbunden war, die KollegInnen sich ungern auf Pflichten, Verantwortlichkeiten, Notwendigkeiten und Regeln festlegen lassen wollten. Möglicherweise basierte dies auf mehr oder weniger stark ausgeprägten Ängsten vor dem Verlust von Freiheiten unterstützt von eventuellen ideologischen Vorbehalten gegenüber betriebswirtschaftlichen Methoden und Ansätzen.
Betonen möchte ich: Die o.a. auf einen beruflichen Kontext bezogenen Typisierungen und die darin gezeigten Bedarfe nach Beständigkeit und Verlässlichkeit bzw. Flexibilität und Offenheit finden sich auch im allgemeinen zwischenmenschlichen Geschehen wieder, unter anderem in Partnerschaften. Auch in diesen gibt es Menschen, die
- wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, die die Fortdauer wollen, die Beständigkeit, eine feste Beziehung bis hin zur Erstarrung oder Menschen, die
- so bleiben wollen, wie sie sind, und sich nur im Rahmen ihrer eigenen Vorstellungen weiterentwickeln, nicht aber entsprechend der Bedürfnisse anderer.
Erstere sehen sich vielleicht als Opfer und geben der Partnerin bzw. dem Partner die Schuld für Unangenehmes. Sie übernehmen keine Verantwortung für ihr Leben.
„Solange du glaubst, dass an allem immer die anderen schuld sind, wirst du leiden.” (Dalai Lama)
Zweitere sehen nicht über den Tellerrand der eigenen Wünsche und Bedürfnisse hinaus und fühlen sich für alles andere nicht verantwortlich; es interessiert sie nicht. Aber auch ihnen sollte klar sein: Man kann nicht Nichtstun, auch ein Nichthandeln hat direkte und indirekte Folgen. Selbst wenn Menschen nichts verändern (wollen), verändert sich etwas, weil sich Andere und Anderes um sie herum verändert.
Motive die unser Handeln beeinflussen
„Nichts geschieht ohne Risiko, aber ohne Risiko geschieht auch nichts.“ (Walter Scheel, Bundespräsident von 1974 bis 1979)
Wer sich weiterentwickeln möchte oder Neues wagen will, geht keinen bequemen Weg, sie oder er muss die Bereitschaft mitbringen, Risiken einzugehen.
In der Abschlusssitzung eines von mir geleiteten Projekts zur Einführung betriebswirtschaftlicher Instrumente mündeten die o.a. Ängste und Vorbehalte zum Beispiel in der aufbrausenden Aussage eines Lenkungsgruppenmitglieds (promovierter Akademiker): „Eins sage ich Ihnen: Im Schulbereich wird das nie kommen!!!“
Trotz dieses Gegenwindes: Wir standen ein für unsere Überzeugungen, wichen nicht aus, sondern machten deutlich, was wir für richtig hielten, übernahmen Verantwortung für eventuelle Folgen, auch wenn ein dauerhafter Erfolg (noch) nicht vorhersehbar war. Schon mit der Bereitschaft dieses damals für die öffentliche Verwaltung völlig neuartige Projekt zu führen und in ihm mitzuwirken, bewies ich und bewiesen wir Mut. Gut, dass wir die seinerzeitige Machtpromotorin (die Schulministerin) und andere Mitglieder des Gremiums von unseren Vorschlägen überzeugen konnte, denn immerhin kam diese Aussage von meinem Abteilungsleiter, der mir mein weiteres berufliches Leben hätte schwermachen können.
Sollte ich mich deshalb verbiegen (lassen)? Nein! „Leute ohne Rückgrat hab‘n wir schon zu viel… Grade, klare Menschen wärn ein schönes Ziel…“ sind Aussagen aus Bettina Wegners Song „Kinder“, die schon immer meine innere Haltung zum Ausdruck brachten und bringen (Nur als Randbemerkung: Der gesamte, wunderschöne Liedtext war Bestandteil der Geburtsanzeige unseres ältesten Sohnes). Ich war zudem überzeugt, dass die Kolleginnen und Kollegen der öffentlichen Verwaltung nicht per se ineffektiver und ineffizient sind als Menschen in der freien Wirtschaft, man müsse ihnen nur angepasste Möglichkeiten und Instrumente „in die Hand geben“… Möglicherweise war es aber vor allem der darin zum Ausdruck kommende Gerechtigkeitssinn, der auch weiterhin mein Handeln leitet.
„Werte sind keine absoluten Normen, sondern Orientierungsgrößen, mit den wir uns in unserem Leben bewegen.“ (Peter Prange; Werte: Von Plato bis Pop – Alles was uns verbindet; TB 2016, S. 737)
In den Mittelpunkt meines nächsten Blogbeitrags werde ich mit der Frage, was uns antreibt, uns Mut macht und im Leben voranbringt, die ersten konkreteren Schritte zu Veränderungen im Leben stellen.